Mittwoch, 26. März 2014

Vorsicht, ansteckend!

Als Pendler über 500 km bin ich bei meinen Eltern vielleicht mal alle paar Wochen zu Besuch. War ich früher noch Teil des familiären Alltags, bin ich jetzt maximal Zaungast - gern gesehen, aber mit eigenem Leben und irgendwie nicht mehr wirklich greifbar.

Umso schöner sind die Stunden des Austauschs, wenn ich mit meiner Mutter klönend in der Küche sitze und wir uns bei einer Tasse Tee die Erlebnisse unserer letzten Wochen erzählen. Dabei kommen wir natürlich auch immer wieder auf das Thema DIY, das uns beide schon seit Jahren verbindet. Und immer wieder kommen wir an der Frage an: Wer hat eigentlich wen angefixt?

Und Mom ist doch die Beste ;-)

Meine Mutter ist noch aus einer Generation, in der Hauswirtschaft auf dem Stundenplan stand. Sie lernte kochen, nähen, häkeln, stricken. Kochen tut sie täglich, aber den Rest vernachlässigte sie mit den Jahren. Genäht wurde eigentlich nur zum Zweck der Reparatur, ansonsten staubte die Nähmaschine im Keller herum. Sie half mir in der Schule, einen Topflappen herzeigbar zu häkeln, und webte abends auch mal den kleinen Bilderteppich fertig, den ich als Hausaufgabe abgeben sollte. Sie nähte mir einen Umhang für das Theaterstück in der Grundschule. Aber zu mehr raffte sie sich selten auf.

Digitale Handarbeit

Mit den Jahren wagten wir uns dann nach und nach an das Thema DIY heran. Sie kochte mehr und mehr Marmelade selbst, ich fing an, mit Sauerteig Brot zu backen. Sie kaufte immer weniger Fertigtütchen und Glutamat-Bomben ein, ich raspelte kiloweise Weißkohl für selbstgemachtes Sauerkraut. Sie nähte Stuhlhussen für die alten, abgewetzten Küchenstühle, ich versuchte mich an den ersten kläglichen Versuchen, eine Handtasche zu nähen. Dabei präsentierten wir uns immer gegenseitig unsere Werke und spornten uns zu mehr an. Genährt wurde dieser Prozess durch den ersten PC, den ich meiner Mutter zusammenschraubte und mit dem sie fortan ebay (sehr zum Leidwesen meines Vaters - und des Postboten) nach schönen Stoffen, Borten und Secondhand-Kleidern durchwühlte.

Und heute?

Seit ich ausgezogen bin und meine Mom damit offiziell von ihrem Amt der Vollzeit-Mutter enthoben habe, lernte sie die Vorzüge einer gepflegten Portion Egoismus und persönlicher Freizeit kennen und lieben. Wir schwingen uns beide immer mehr hoch, nähen, backen und experimentieren, was das Zeug hält, und erklären uns gegenseitig, wie toll diese gemeinsamen Interessen doch sind. Und es macht verdammt viel Spaß!

Mittlerweile versuche ich, auch andere Leute mit DIY anzustecken. Und entdecke immer öfter, wie groß die Lücken teilweise sind. Meine Cousine, 4 Jahre jünger als ich, hat z.B. nie in der Schule häkeln gelernt - da ihre Mutter es genauso wenig kann, brachte es ihr niemand bei. Statt gekaufter Kleinigkeiten verschenke ich hübsche, selbstgenähte TaTüTas, Beutelchen, Anhänger. Ich gehe mit Freundinnen Stoffe kaufen, die sie dann bei mir auf meiner Nähmaschine zu etwas Kleinem vernähen, zaghaft anfangs, aber mit der Zeit immer mutiger und begeisterter. Ich führe selbstgenähte Taschen und Röcke aus und erkläre auf Nachfrage, dass sie aus meiner eigenen Hand stammen.

Wenn auch nur ein paar der Leute angesteckt werden, hat das DIY-Virus schon sein Ziel für mich erreicht :)

2 Kommentare:

  1. Kommentar meiner Tochter vor kurzem als sie mir wieder einmal ein Kleiderteil zu reparaturnähen übergab. Es ist so schade, dass man das alles nicht in der Schule lernt. Kaum jemand in meinem Alter kann kochen geschweige denn nähen, stricken oder häkeln.

    Aber eigentlich sollte man das in der Schule lernen, das braucht man doch!

    Kochen hat sie von mir gelernt, handarbeiten hat sie bisher abgelehnt, scheint aber inzwischen dafür offen zu sein. Vielleicht geht mein Wissen doch nicht verloren sondern ich kann es irgendwann doch meiner Tochter weitergeben. Oder sie liest irgendwann meine Blog ;-)

    Das Thema aus der Sicht einer Mutter...

    lg
    Maria

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    1. Hallo Maria,
      wahrscheinlich fehlt heute einfach der Nutzen für handwerkliches Geschick, deshalb unterrichtet man das kaum mehr - sowohl im familiären als auch im schulischen Umfeld.
      Der einzige "angenehme" Nebeneffekt dabei ist tatsächlich, dass dieses Wissen mittlerweile richtig viel wert ist - wer handarbeiten kann, wird (im entsprechenden Umfeld) sofort mit großen Augen bestaunt.

      Vielleicht braucht deine Tochter einfach noch den richtigen Überträger des Virus, damit sie aus deinem Wissen schöpfen kann :-) Und dann ärgert sie sich darüber, dich nicht schon früher ausgequetscht zu haben ;-)

      LG, Saranesu

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