Freitag, 18. April 2014

Aufreger der Woche #8 - Qualität auf Talfahrt

Seit ich einen Großteil meiner Kleidung gebraucht kaufe, etwa über kleiderkreisel.de oder ebay, betrete ich kaum noch Klamottenläden. Insofern komme ich kaum noch in Berührung mit dem, was landläufig die "neue Kollektion" geschimpft wird, sondern trage eben das, was letztes Jahr verkauft wurde.

Bei meinen letzten Second Hand-Käufen fiel mir allerdings mehr und mehr auf, dass die Qualität vieler Marken über die Jahre nachgelassen hat - während die Neupreise teilweise gewaltig stiegen. Manche meiner Pullover von Marke X besitze ich schon seit Jahren, sie bestehen aus angenehm dicker Baumwolle, sind gut verarbeitet und weder verzogen noch verrupft. Die trage ich wirklich auf, bis nichts mehr geht - auf Trends pfeife ich. Aber die Stücke aus den neueren Kollektionen? Ein Graus. Nicht nur, dass der Stoff dünn und fadenscheinig ist, die Oberteile leiern schon beim Probieren so aus, als hätte man sie bereits 2 Tage lang getragen. 10 Mal waschen, und das Shirt ist ein Putzlappen.

Die Röcke, die von Marke Y stammen, waren vor etwa 5 Jahren ganz herrliche Stücke aus seidenweichem Batist, angenehm lang und schwingend. Und heute? Kunstfaser, knatscheng, mit grausligen Mustern und ganz fies vernäht. Neupreis wie gehabt bei mindestens 50 Ocken.

Und so geht es immer weiter. Schuhe: Früher schrubbte ich in denen über 2 Jahre täglich 5 km, heute verabschiedet sich nach einem Quartal schon die Sohle. Meine Brillenfassungen waren von Marke Z absolut unverwüstlich, bis ich beim nächsten Modell dem Lack schon nach einem Monat beim Bröseln zusehen konnte. Reklamation brachte mir nur ein zweites Bröselmodell ein.

Auf der Jagd nach der verlorenen Qualität

Mittlerweile scheint es wirklich eine Herausforderung zu sein, Mode mit halbwegs passabler Qualität zu finden. Sich am Preis zu orientieren ist keine Lösung, viele Marken verlangen wahre Mondpreise, damit man ihre stylischen Läden und Werbekampagnen mit finanziert. Als qualitätsbewusster Mensch wird man also zum Jäger, der durch die Stadt läuft und verzweifelt etwas sucht, dass er nicht schon nach einmaligen Tragen entsorgen kann.

Was also tun?

Zum einen natürlich - auftragen. Aber irgendwann ist auch das beste Shirt mal verwaschen, der Lieblingsrock fadenscheinig, die Schuhe durchgelatscht. Eine halbwegs sichere Alternative sind natürlich die vielen Zertifizierungen und Labels der "grünen" Mode. Wenn man sich an den Gedanken gewöhnt hat, für ein Kleidungsstück das Zwei- bis Dreifache des Preises zu zahlen, den man in konventionellen Läden verlangt, bekommt man dafür auch passable Kleidung.

Ansonsten hilft einfach der geübte, kritische Blick, wenn man ein Kleidungsstück in die Hand nimmt:

Stoff:
Damit steht und fällt eigentlich das ganze Kleidungsstück. Schlechtes Material kann nie ein gutes Endprodukt werden, egal in welcher Branche. Insofern ist hier wichtig:
Wie ist die Qualität des Stoffes? Ist er sehr dünn, fast schon durchscheinend? (bei Sommergarderobe natürlich eher gewünscht) Gibt der Stretch mehr nach als beabsichtigt? Findet man gar schon Löcher im Gewebe bzw. an den Nahtstellen? Wie hoch ist der Anteil natürlicher Fasern? Und nach dem Kauf: Blutet die Farbe sehr stark aus?

Muster:
Ob kariert, gestreift, geblümt oder gepunktet: Gemusterte Stoffe sind anspruchsvoll, was die Verarbeitung angeht, und daran entlarvt man eigentlich relativ leicht schlampige Zuschnitte und Näharbeiten. Denn der Rapport, also die kleinste Einheit eines sich wiederholenden Musters, sollte im fertigen Kleidungsstück harmonisch an den Nähten zusammenstoßen. Je größer der Rapport ist, desto kniffliger wird das ganze und desto mehr Verschnitt entsteht beim Stoff. Entsprechend sind minderwertige gemusterte Stücke häufig mehr schlecht als recht zusammengestoppelt und wirken dadurch unruhig.
Ein gutes Beispiel sind Business-Anzüge: Schaut euch mal teure Sakkos mit Nadelstreifen an - die Streifen treffen an Nähten und an den Taschen immer exakt aufeinander.
Und Karostoff gilt als Material für Fortgeschrittene und bekommt in manchen meiner Nähbücher sogar ein eigenes Kapitel für den Zuschnitt gewidmet.

Zuschnitt:
Kleidung von der Stange sind keine Maßanfertigung, das muss man sich immer vor Augen führen. Es sind Standard-Schnitte in Standard-Größen. Insofern ist es kaum zu vermeiden, dass ein Kleid Person A zufällig passt wie angegossen, während es an Person B Falten und Beulen wirft.
Dennoch dürfen die Zuschnitte nicht ungleichmäßig sein: Unterschiedlich lange Ärmel, Röcke, die vorne kürzer sind als hinten, schiefe Taillen oder ungleiche Schultern kann man leicht entdecken, wenn man Kleidungsstücke mittig zusammenfaltet und die beiden Hälften auf ungleiche Stellen kontrolliert. Teilweise sind sogar zwei exakt gleiche Kleidungsstücke unterschiedlich geschnitten - es schadet also nie, bei der Anprobe zwei Exemplare mitzunehmen und beide zu testen.

Nähte:
Jetzt geht es allmählich an die Details. Nähte sollen in erster Linie den Stoff zusammenhalten, logisch. Wer selbst näht (und auf Qualität achtet), weiß, wie schwierig gute Nähte sind und wie oft man vermurkste wieder auftrennen muss - eine schlampige Naht kann im Extremfall das ganze Kleidungsstück ruinieren, wenn sie etwa ausfranst auf gar aufreißt. Insofern sollte man skeptisch werden, wenn man lose Fäden findet, die Naht bereits stellenweise aufgelöst ist, die Stiche sehr lang oder unregelmäßig sind und ein minderwertiges und schnell reißendes Garn verwendet wurde. Industriell gefertigte Shirts werden häufig mit Over- und Coverlockmaschinen vernäht, die beim Nähen bereits zuschneiden bzw. eine Doppelnäht samt Zickzack-Versäuberung in einem Arbeitsgang erledigen. Diese Nähte dröseln sich erfahrungsgemäß sehr gern auf, wenn der Stoff etwa nicht genau aufeinanderlag.

Informationen:
Die im Innern eingenähten Etiketten werden meistens ungelesen herausgetrennt und entsorgt - weil sie kratzen, sich abzeichen und einfach nerven. Trotzdem sollte man einen Blick riskieren, denn diese Zettelchen geben einige Infos über Material, Herkunft, besondere Pflegehinweise (abfärbende Stoffe etwa) und enthalten im besten Falle auch Ersatzteile wie Knöpfe.
Fehlen diese Etiketten komplett, ist allerhöchste Vorsicht geraten - dann hält man häufig ein illegal hergestelltes Stück in den Händen, bei dem man nicht nachvollziehen kann, aus welchem Stoff es ist und woher es stammt. Lieber Finger weg!

4 Kommentare:

  1. Sehr schöner Überblick. :)

    Der Qualitätsrückgang ist mir ebenfalls aufgefallen: ich habe z.B. Röcke, die früher Pullover waren. Das Material ist trotz mehreren Jahren Pulli-Existenz und mehreren Jahren Rock-Existenz noch einwandfrei.

    Bei einem "neueren" Shirt (1 Jahr alt?) haben sich bereits deutliche "Faserknubbel" gebildet und das Material sieht zerschlissen aus. Und das, obwohl ich aus Prinzip von Hand wasche und nur sehr wenig Waschmittel verwende. Falsches Waschen wird gerne von Herstellern als "Argument" benutzt, um den Verschleiß zu erklären ... Aber verar***en können wir uns selber. ;)

    Den letzten Rock, den ih gekauft habe, habe ich wegen schlechter Verarbeitung zurückgebracht (nachdem ich es mir bei anständiger Beleuchtung genauer anschauen konnte - die Beleuchtung in Modegeschäften ist so eine Sache für sich.). Die Verkäuferin hatte ernsthafte Verständnisprobleme, was ich mit schlecht verarbeitet meinte, obwohl ich es ihr zeigte und erklärte. In solchen Situationen komme ich mir manchmal vor, wie ein Alien. ;) Deshalb fühle ich mich in Second-Hand-Läden auch wohler und greife auf sie zurück, so oft es geht.

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    1. Hallo Stadtpflanze,
      danke für dein Kommentar!

      Ich glaube auch, dass viele Hersteller einfach die Qualität herunterfahren, damit sich die Warenmasse in den Geschäften schneller dreht und verkauft wird - also weg vom Gebrauchs- und hin zum Verbrauchsgegenstand. Außerdem ist qualitativ minderwertiger Rohstoff auch automatisch billiger, ganz klar.

      Mittlerweile hebe ich von teuren Dingen, von denen ich eine etwas längere Lebenszeit erwarte, etwa Schuhe und Jacken, die Kassenzettel auf, um sie bei eindeutigen Materialfehlern umzutauschen. Aber tatsächlich ist die für uns "schlechte" Verarbeitung in den Augen vieler Verkäufer die Norm. Um anderen Kunden Ärger zu ersparen, bringe ich sehr oft bereits beim Anprobieren defekte Stücke zur Kasse, damit das Kleidungsstück gar nicht mehr verkauft werden kann.

      LG, Saranesu

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  2. Ja! Genauso ist es und es ärgert mich sehr, vor allem, wo ich demnächst sehr viele Sachen ersetzen muss, einfach weil sie wirklich totgetragen sind. Second Hand ist für mich leider keine Option, ich geh da eh immer tapfer rein, aber ich finde nie was :( wenn ich kleidung kaufe, dann müssen alle diese drei Kriterien stimmen: meine Geöße, meine Farben, mein Stil. Kleiderkreisel hab ich probiert, aber ic muss Kleidung anprobieren können, bevor ich sie kaufe. Es ist manchmal halt nicht so einfach, als kurze Person, die eben keine knabenhafte Figur hat.
    Was für konkrete Empfehlungen hättest du denn? Zum Einkaufen, meine ich. Manchmal näh ich mir ja auch was selber, aber das sind dann eher Röcke und Sommerkleider.

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    1. Hallo Materialfehler,
      eine Möglichkeit wären noch Flohmärkte oder Tauschaktionen mit Freunden. Ist da auch nirgends was dabei, wagt man sich wohl oder übel in ein Kaufhaus und streift einfach mal durch die einzelnen Marken-Bereiche, welche Marke einem am meisten zusagt.
      ich versuche beim Einkaufen eigentlich immer, mich auf mein gesundes Gefühl zu verlassen. Ich nehme den Stoff in die Hand, dehne ihn, halte ihn gegen das Licht, rieche daran und ziehe ihn erst ganz am Ende an. Fühle ich mich dabei irgendwie unwohl, hänge ich das Stück weg.

      LG, Saranesu

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