Freitag, 28. Februar 2014

Aufreger der Woche #1 - Das MHD

Freitags werde ich immer ein kleines, persönliches Anekdötchen veröffentlichen, mit einem Thema, das mich beschäftigt und mir Bauchgrimmen verursacht - den Aufreger der Woche. Das soll kein erhobener Zeigefinger sein, sondern einfach die kleinen Gewohnheiten, die man so gern übersieht und die beim kritschen Hinschauen eigentlich eine Katrastrophe für unser Müllproblem sind.

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"Tu den mal weg, der ist abgelaufen."

Neulich, 14 Uhr, in der Kaffeeküche. Kollegin A. beäugt meinen Joghurt, den ich in der Hand halte. Ein ganzer Becher voll, ungeöffnet, 500 g allerbester Naturjoghurt. Und vorgestern das Sterbedatum aka MHD erreicht. Ich bin verdutzt. Meint sie das ernst?

"Isst du den etwa noch?" Naserümpfen. "Ich bin da ja immer vorsichtig. Gerade bei Milchzeugs, das gammelt doch meistens schon 5 Tage vorher. Nee, nee, ich würde auch niemals diese reduzierten Sachen kaufen, die morgen oder so ablaufen. Sind wahrscheinlich all die Joghurtbecher, die man abends aus dem Fach mit den Chipstüten kramt, weil der Käufer den Becher kurz vor der Kasse doch nicht haben wollte."

Ich schweige, schließe den Kühlschrank und nehme meinen armen Joghurt mit in mein Büro. Und dort schaue ich ihn mir mal genauer ein. Kein gewölbter Deckel - in Normalfall ein gutes Zeichen. Macht der Deckel einen Buckel, stimmt was nicht. Und meistens passiert so was schon laaange vor dem MHD. Ein Öffnen des Bechers zeigt - alles in Ordnung. Sieht aus wie Joghurt, riecht wie Joghurt, und schmecken tut er auch noch. Hätte ich nicht auf das Datum auf dem Deckel geschaut, hätte ich ihn ohne Mucken gelöffelt. Warum also diese MHD-Panik?

Per Definition ist das Mindesthalbarkeitsdatum kein "Sterbedatum", ab dem ein Lebensmittel nicht mehr "gut" ist, sondern eine gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnung verderblicher Waren. Im Grunde bedeutet dieses Datum nur:

Heutiges Datum > MHD: Das Produkt ist ohne größere Einbußen in Geschmack und Qualität sowie ohne gesundheitliches Risiko zu essen.

Heutiges Datum <= MHD: Das Produkt ist noch verzehrfähig, kann aber anders aussehen, schmecken und seine Konsistenz verändert haben. Und - natürlich - verdorben sein. Was es aber zwangläufig nicht muss.

Differenzieren muss man das MHD allerdings ganz gewaltig vom Verbrauchsdatum, das etwa auf Fleisch steht - gerade bei rohem Fleisch ist Vorsicht geboten, und da beäuge auch ich immer staunend die teilweise utopische Lebensdauer des rohen Hackfleischs, das da unter Plastikfolie und Gasklima tagelang jung und knackig bleiben soll. Fleisch verbrauche ich grundsätzlich immer sofort oder friere es zumindest ein.

Laut der Zeit wirft jeder Bundesbürger pro Jahr über 80 kg Lebensmittel weg - und davon war fast die Hälfte noch genießbar (Quelle: zeit.de). Man fragt sich: Warum? Angst vor verdorbenem Magen? Überfluss? Faulheit, etwas auf seine Genießbarkeit zu testen? Gewohnheit?

In relativ vielen Geschäften beobachtet man mittlerweile aber eine angenehme Entwicklung, die meine Kollegin so verdammte: Kruschel-Ecken, etwa im Kühlregal, wo Produkte, die kurz vor dem Ablaufen sind, reduziert werden bzw. einen Aufkleber zur Markierung erhalten. Schon mehr als einmal habe ich diese Produkte gekauft und gegessen, teilweise sogar erst mehrere Tage nach dem MHD. Bisher war sehr, sehr selten etwas dabei, das wirklich verdorben war. Und das habe ich immer direkt gemerkt.

Überhaupt scheint vielen Menschen das natürliche Gespür abhanden gekommen zu sein, verdorbene Lebensmittel zu erkennen. Ob etwas sauer, ranzig, vergoren riecht bzw. schmeckt, ob es seine Farbe, Textur oder Konsistenz bedenklich verändert hat, ob es knistert, blubbert, schäumt - will man seinen Sinnen mehr vertrauen als einem schnöden Datum, außen aufs Plastikkleidchen der Nahrung gedruckt? Womöglich müsste man diesen "Gammel-Sinn" erst wieder trainieren.

Aber selbst wenn der mal versagt: Wer hat nicht schon mal eine angeschimmelte Käsescheibe, einen Schluck gekippte Milch, ein etwas beschwippst schmeckendes Stück Wassermelone in den Magen bekommen? Ist man daran gestorben? Ich zumindest eher selten.

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